In Deutschland hat nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) die Welle der RSV-Erkrankungen begonnen. Vor allem unter Zweijährige sind von einer Krankenhauseinweisung betroffen.
RSV – die drei Buchstaben stehen für Respiratorische Synzytial-Virus – ist eine Atemwegserkrankung. Generell kann man in jedem Alter daran erkranken und sich wiederholt infizieren – aber derzeit trifft es vor allem die Jüngsten. „Insbesondere Kinder unter zwei Jahren sind von einer Krankenhauseinweisung mit RSV-Infektion betroffen“, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) in einem am Mittwochabend veröffentlichten Wochenbericht zur derzeitigen Lage.
Kinder bekommen bei einer RSV-Infektion meist zuerst eine laufende Nase und verlieren den Appetit. Der Rachen kann entzündet sein. „Husten und Niesen folgen, und häufig tritt Fieber auf“, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf ihrer Webseite. In der Folge seien zum Beispiel Lungenentzündungen möglich. Bei schwerem Verlauf könne eine Beatmung nötig sein.
Heftige RSV-Welle im Winter 2022/2023
Im vergangenen Herbst und Winter hatte es in vielen Ländern eine heftige RSV-Welle gegeben. Betroffen waren viele Kinder, die wegen der Corona-Pandemie und den dagegen getroffenen Maßnahmen zuvor keinen Kontakt zu dem Erreger hatten. Kliniken und Kinderarztpraxen waren zeitweise überlastet. Für diesen Winter hatten deutsche Fachleute nun wieder eine normalere Welle erwartet.
Im vergangenen Sommer hat die EU-Kommission einen Impfstoff für Neugeborene und Babys bis zu sechs Monaten zugelassen. Das Besondere daran: Er wird der Mutter in der Schwangerschaft geimpft. Fragen und Antworten.
Wie funktioniert der neue RSV-Impfstoff für Babys?
Es handelt sich um den Impfstoff Abrysvo des US-Pharmakonzerns Pfizer. Die Europäische Kommission hat ihn am Freitag EU-weit zugelassen – auf Empfehlung der EU-Arzneimittelbehörde EMA.
Der Schutz gegen die Atemwegserkrankung RSV werde durch die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft aufgebaut, teilte die EMA mit. Das Immunsystem der Geimpften bilde spezifische Antikörper und T-Zellen aus, „die dazu beitragen, eine RSV-Infektion zu verhindern“.
Die neutralisierenden Antikörper gehen demnach über die Plazenta an das Baby im Bauch über und schützen es bis zu sechs Monate nach der Geburt.
Die EMA stützt Ihre Bewertung unter anderem auf eine Studie mit 3.695 Müttern, denen in der 24. bis 36. Schwangerschaftswoche Abrysvo verabreicht wurde, während 3.697 Personen ein Placebo erhielten. Die Auswertung ergab, dass der Impfstoff schwere Erkrankungen der unteren Atemwege wirksam reduzierte.
Welche Nebenwirkungen gibt es nach Impfungen mit Abrysvo?
Die häufigsten Nebenwirkungen bei Schwangeren waren der EMA zufolge Schmerzen an der Einstichstelle, Kopf- und Muskelschmerzen. Das alles sind übliche Impfreaktionen. Zu etwaigen schwerwiegenden Nebenwirkungen machte die EMA keine Angabe.
Gibt es auch RSV-Impfungen für ältere Kinder und Erwachsene?
Bislang ist in der EU noch kein Impfstoff gegen das RS-Virus für ältere Kinder zugelassen. Abrysvo von Pfizer ist aber auch für Menschen ab 60 Jahren zugelassen. Für Menschen ab 60 Jahren ist außerdem seit Juni der RSV-Impfstoff Arexvy vom britischen Konzerns GlaxoSmithKline in der EU zugelassen.
Was sagt die Stiko zum RSV-Impfstoff für Babys?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat sich noch nicht zum neuen RSV-Impfstoff für Babys geäußert. Es ist also noch unklar, ob das unabhängige Expertengremium, das beim Robert Koch-Institut angesiedelt ist, in der wissenschaftlichen Abwägung der Vor- und Nachteile des Impfstoffs darin tatsächlich einen Gewinn sieht.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sprach auf Grundlage der EMA-Einschätzung eine deutliche Empfehlung aus: „Vor dem anstehenden Winter und Herbst kann dieser Impfstoff dabei helfen, einige der am meisten gefährdeten Bürgerinnen und Bürger vor möglichen schweren Folgen einer RSV-Erkrankung zu schützen.“
Wie stark ist das RS-Virus in NRW verbreitet?
Im Herbst und Winter erkrankten außergewöhnlich viele Neugeborene und Säuglinge in NRW an RSV. Die Zahl der Unter-Einjährigen mit RSV lag im vierten Quartal 2022 sechs Mal höher als im gleichen Zeitraum 2018.
Das zeigt eine repräsentative Sonderanalyse des nordrhein-westfälischen Kinder- und Jugendreports der Krankenkasse DAK vom April. Hochgerechnet auf alle in Nordrhein-Westfalen lebenden Kinder mussten im Winter 2022 demnach rund 5.200 Babys im Krankenhaus behandelt werden.
Momenten ist die Zahl der gemeldeten RSV-Fälle recht gering, wie der Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts zeigt.
„Der Gipfel der RSV-Saison erstreckt sich über etwa vier bis acht Wochen und liegt meist im Januar und Februar, seltener auch im November und Dezember“, teilt das RKI auf seiner Website mit. Zugleich weist es aber auch darauf hin: In den vergangenen Jahren sei das RS-Virus außerdem verstärkt im September und Oktober aufgetreten. Die RSV-Saison steht also unmittelbar bevor.
Unsere Quellen:
- Wochenbericht des Robert Koch-Instituts
- Pressemitteilung der EU-Arzneimittelbehörde EMA
- Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI)
- RSV-Informationen auf der Website des Robert Koch-Instituts (RKI)
- Sonderanalyse des nordrhein-westfälischen Kinder- und Jugendreports der Krankenkasse DAK
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
Über dieses Thema berichteten wir am 25.08.2023 auch in den Hörfunknachrichten, unter anderem bei WDR 5.